Mozarts Don Giovanni an der HMT

Alljährlich produziert die Hochschule für Musik und Theater Leipzig eine Repertoire-Oper in komplett studentischer Besetzung. Dieses Jahr erklang Mozarts Don Giovanni in der HMT. In einem Gespräch mit Studierenden der Musikwissenschaft stand Matthias Foremny, musikalischer Leiter der Produktion, Rede und Antwort. Foremny ist Professor für Dirigieren und Orchesterleitung an der Hochschule und darüber hinaus Erster ständiger Gastdirigent an der Oper Leipzig sowie Chefdirigent des Stuttgarter Kammerorchesters.

Für die Inszenierung wurden je zwei Orchester- und Ensemblebesetzungen einstudiert: Es soll möglichst vielen Studierenden die Möglichkeit geboten werden, die wertvolle Erfahrung einer Opernproduktion sammeln zu können. Die Probenarbeit des Orchesters schätzt Foremny dabei als doppelt so umfassend wie bei einer Inszenierung an einem Opernhaus ein: Im Gegensatz zu eingespielten Profis, die ein solch bekanntes Repertoirestück schon kennen und mit wenigen Sitzproben* direkt zu den Endproben übergehen, startet das studentische Projektorchester bei 0 und erarbeitet sich das Werk erstmal in getrennten Streicher- und Bläserproben, bevor drei Tuttiproben die Sitzproben vorbereiten. Drei Hauptproben und eine Generalprobe schließen die intensive Probenarbeit ab.

Foremny setzt in der Interpretation auf edle und warme Orchesterklänge, die einer modernen Rezeption gerecht werden. Dabei nennt er die Mozart-Interpretationen von Karl Böhm und Leonard Bernstein als Vorbilder und fordert von den Studenten einen äußerst fein austarierten Klang, der keine Regung der Mozartschen Musik auslässt und durch Präzision besticht. „Die Studierenden wollen für diesen guten Klang auch gequält werden“ und sind bereit, ein sehr hohes Engagement und eine große Probenausdauer an den Tag zu legen. Er schätzt auch die historisch informierte Aufführungspraxis, hält aber nur eine wirklich ganzheitliche und präzise Anwendung jener für vertretbar: Neben Spieltechniken müsse das ganze Instrumentarium an die gestellten historischen Bedingungen angepasst sein. Deshalb ist für diese Produktion die historische Praxis keine Option, außerdem soll die moderne Interpretation mit ihrer reichen Detailliertheit die Studierenden besser für ihren weiteren Weg vorbereiten.

Aus der Zusammenarbeit mit dem Stuttgarter Kammerorchester zieht Foremny eine große Weiterentwicklung seiner Interpretationen. Gerade die Berührungspunkte von Mozarts Orchesterwerken und seinen Opern – mit beiden beschäftigt er sich regelmäßig – findet er faszinierend und inspirierend für seine Rezeptionsansätze. Auf die Produktion bereitet er sich mit viel Partiturspiel vor, um das Stück „in den Kopf und die Finger“ zu bekommen.

Die Inszenierung von Matthias Oldag verwendet die erstaufgeführte Prager Fassung der Oper. Im Gegensatz zur späteren, als buffonesker* gehandelten Wiener Fassung wird auf einen versöhnlichen, als „Moral von der Geschicht“ dienenden Schlusschor verzichtet, die Oper endet hart und dramatisch. Ein Schwerpunkt wird auf die Figur des Leporello, dem Diener Don Giovannis, gelegt, der in anderen Produktionen häufig eher eine Nebenrolle spielt, aber hier als bedeutender Strippenzieher fungiert. Leporellos Charakter wird dabei von der ursprünglichen Funktion des heiteren Beiwerks wegbewegt. Die mitwirkenden Sänger bereiten sich schon lange im Voraus intensiv auf ihre Rollen vor, Foremny lobt dabei die reiche Unterstützung der HMT durch Korrepetitoren* und Sprachcoaches. Auch Dirigierstudierende sind Nutznießer der Don Giovanni-Aufführungen, sie bekommen die Chance, einzelne Parts zu dirigieren und können hierbei Prüfungen in Nachdirigat und Einstudierung ablegen.

Don Giovanni wurde vom 20. bis 25. Mai im großen Saal der HMT aufgeführt. Zudem wird es noch ein Open-Air-Gastspiel in Jena geben.

*Begriffserklärungen für Nicht-Opernkenner:

Sitzprobe: nicht szenische Probe mit Orchester und sitzenden Sängern unter Leitung der Dirigenten

Opera buffa: komische Oper, im Gegensatz zur ernsten Opera seria (bezogen auf die Ursprünge der Oper in Italien)

Korrepetitor*in: Begleitet die Sänger bei ihrer Einstudierung am Klavier

Redaktion: Sören Eggers

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